Podcast Summary
Podcast: Make Economy Great Again
Episode: Renten, grüner Stahl, Energiewende – Deutschland träumt
Host: WELT
Guests: Daniel Stelter (Ökonom), Ulf Poschardt (WELT-Herausgeber)
Date: November 12, 2025
Überblick: Hauptthemen und Ziel der Episode
In dieser Episode diskutieren Daniel Stelter und Ulf Poschardt den aktuellen Zustand der deutschen Wirtschaft. Im Mittelpunkt stehen die Reformunfähigkeit beim Rentensystem, die Folgen der Klimapolitik für Wirtschaft und Industrie – speziell am Beispiel der Stahlbranche – sowie der kulturelle Wandel in Politik und Gesellschaft. Die beiden Ökonomen setzen einen Schwerpunkt auf die Frage: Warum stagniert Deutschland, was bringt die aktuelle Regierung nicht voran, und wie groß ist der Einfluss politischer Konflikte und Kulturkämpfe auf einen möglichen neuen „Wirtschaftswunder“-Moment?
Wichtige Diskussionspunkte und Einsichten
1. Rentenreform und Generationenkonflikt
- Ulf Poschardt beginnt mit dem Rententhema als symbolischen Brennpunkt für ausgebliebene Reformen (03:00).
- Generationengerechtigkeit wird erstmals parteiintern von jungen Abgeordneten der Union gefordert – und sie stellen sich offen gegen die Festschreibung des Rentenniveaus.
- Stelter betont, dass die Reformdebatte zu spät kommt und die Systemprobleme (wie die fehlende Kapitaldeckung im Umlagesystem) seit Jahrzehnten bekannt sind:
„Wir wissen seit Jahrzehnten, dass es ein Fehler war. Wir hätten immer, wie die Schweden, wie andere auch eine kapitalgedeckte Säule einführen sollen. … Wir haben es nicht gemacht.“ (05:37, Daniel Stelter)
- Kritik am politischen Kurzfristdenken („Wahlurnenmacht der Alten“) und fehlendem Mut auch bei Opposition und Regierung, grundlegende Reformen anzugehen.
- Empirisches Stimmungsbild aus der Wirtschaft: Unternehmen verlagern Standorte, Steuerberater boomt durch Auswanderungsberatung, das Unternehmerklima ist ausgesprochen schlecht (08:00).
- Poschardt wünscht sich mehr Unterstützung der Jungen durch Verantwortungsträger aller Parteien und kritisiert eine linke Doppelmoral bei Gerechtigkeit:
„Gerade ein Teil der Linken, der immer über Gerechtigkeit spricht, bei Generationengerechtigkeit vollkommen ausfällt.“ (10:40, Ulf Poschardt)
Memorable Quote
- „Die jungen Leute müssen nach dem Studium schon in Rentendiskussionen einsteigen, anstatt an Aufbau und Innovation zu denken – das ist deprimierend.“ (12:20, Ulf Poschardt)
2. Klimapolitik, Kanzler-Auftritt Merz & Grüne Industrie
- Die Autoren analysieren kritisch Merz' Rede auf der Klimakonferenz und die "Traumwelt" der deutschen Klimapolitik (14:34).
- Stelter konstatiert, dass deutsche Alleingänge beim Klimaschutz weder klimatisch wirksam noch wirtschaftlich tragfähig sind:
„Wir sind in einer Welt gefangen, wo wir glauben, wir könnten alleine einen Einfluss haben. Haben wir nicht.“ (16:55, Daniel Stelter)
- Bezug auf die geopolitische Großwetterlage: Durch Systemkonkurrenz und Konflikte wie in der Ukraine werden die Voraussetzungen für multilaterale Klimapolitik immer schlechter.
„Der Versuch deutscher Klimapolitiker, sich dieser ablaufenden Flut allein entgegenzustellen, gleicht einem ökonomischen Suizidversuch.“ (18:49, Zitat von Daniel Wetzel, von Poschardt zitiert)
- Wirtschaftspolitische „Realitätsverweigerung“ wird angeprangert: energieintensive Industrien (Chemie, Stahl) geraten durch steigende Kosten und Bürokratie ins Hintertreffen.
- Politische und gesellschaftliche Relevanz Deutschlands nimmt global ab, was mit wirtschaftlicher Schwäche eng verknüpft ist.
„Unsere Kernindustrien brechen gerade ab, Unternehmen reden über Auswandern, wir erhöhen die Renten, tabuisieren Sozialreformen, diskutieren Gendersternchen und glauben, damit das Weltklima zu retten.“ (21:14, Daniel Stelter)
3. Stahl, Energiewende und die Subventionsfalle
- Grüner Stahl als Symbol: Der Preisdruck (deutscher Stahl erheblich teurer als chinesischer), unrealistische Standortbedingungen für energieintensive Produktion.
„Dieser grüne Stahl … den kannst du eigentlich nur dort herstellen, wo du nahe an kostengünstigen CO2-armen Energiequellen bist.“ (28:00, Daniel Stelter)
- Eigene Energiewende-Logik wird als weltweit einzigartig unsinnig kritisiert. Stelter: „Wer die Energiewende möchte, sollte als erstes für billige Energie sorgen und dann die Energiewende – und nicht umgekehrt.“ (30:45)
- Dauerhafte Subventionen werden als nicht nachhaltige Lösung abgetan:
„Ich glaube einfach, es übersteigt unsere finanzielle Leistungsfähigkeit auf Dauer.“ (30:12, Daniel Stelter)
Notable Dialog
- Poschardt: „Ich glaube an keine Art von Subvention.“ (30:19)
- Stelter: „Wir verschwenden damit wirtschaftliche Ressourcen. Wir müssten uns anders aufstellen.“ (30:27)
4. Internationale Perspektive: New Yorks Bürgermeisterwahl und die kulturelle Linkswende
- Ein Exkurs befasst sich mit dem Wahlsieg eines sozialistischen, progressiven Bürgermeisters in New York (ca. 34:00–43:00).
- Poschardt analysiert das Wählerverhalten: Elitenprojekt, nicht von den ärmeren Schichten getragen, sondern von wohlhabenden Besserverdienern.
- Stelter ergänzt strukturelle Faktoren wie Lebenshaltungskosten, Abwanderung besserer Einkommen, Krise der Realeinkommen – Parallelen zu Großstädten in Deutschland.
„Es gibt einen echten Problempunkt in der Stadt… und erst die Kombination mit einem charismatischen Politiker, der populistisch einfache Lösungen verspricht, schafft diese Wahlerfolge.“ (41:02, Daniel Stelter)
- Warnung vor importierten Lösungen ohne realwirtschaftliche Substanz; Populismus blüht überall dort auf, wo politische und wirtschaftliche Probleme ungelöst bleiben.
5. Abschluss: „Ist das mega oder kann das weg?“ (ab 46:00)
- Leserfrage: Kann der Konjunktiv in der Politik weg?
- Stelter: „Wir reden zu viel und wir handeln zu wenig. Insofern kann der Konjunktiv weg.“ (46:30)
- Poschardt verteidigt den Konjunktiv als poetisches Stilmittel und Konstrukt für Utopien.
- Versöhnlicher Ausklang, Verweis auf den kommenden Live-Podcast.
Bedeutende Zitate und Momente mit Timestamps
-
Zum Generationenkonflikt/Rente:
„Das Rentensystem steht meines Erachtens paradigmatisch für die ganzen unterlassenen Reformbemühungen in den Sozialversicherungssystemen der vergangenen 20 Jahre.“ (02:00, Ulf Poschardt)
„Man hätte schon davor sagen sollen, so einen Koalitionsvertrag dürfen wir gar nicht unterschreiben.“ (04:48, Daniel Stelter) -
Zur Wirtschaftslage:
„Je schlechter die Stimmung, desto mehr reden die Politiker von der Realität weg.“ (08:50, Daniel Stelter) -
Zur Klimapolitik:
„Wir reden nicht konsistent. Wir verstehen nicht, wie eng es zusammenhängt.“ (14:45, Daniel Stelter)
„Der Versuch deutscher Klimapolitiker, sich dieser ablaufenden Flut allein entgegenzustellen, gleicht einem ökonomischen Suizidversuch.“ (18:49, Daniel Wetzel zitiert durch Poschardt) -
Zur Energiewende & grünem Stahl:
„Wer die Energiewende möchte, sollte als erstes für billige Energie sorgen und dann die Energiewende – und nicht umgekehrt.“ (30:45, Daniel Stelter) -
Zur „Verkulturkampfung“ der Politik:
„Diese Art von Linken ist ein Elitenprojekt … den Schwachen und Armen scheißegal.“ (35:45, Ulf Poschardt) „Es gibt einen echten Problempunkt in der Stadt, … nur werden die falschen Lösungen angeboten.“ (41:02, Daniel Stelter)
Kapitelübersicht und Timestamps
- [03:00] Einstieg ins Thema Rentenreform & Generationenkonflikt
- [09:13] Unternehmerperspektive: Abwanderung, Reformverweigerung, Klima
- [14:34] Klimapolitik, Merz-Rede, globale Realitätsferne
- [21:14] Verfall von Wettbewerbsfähigkeit, Technologierückstand Deutschlands
- [27:18] Stahlindustrie und grüne Subventionspolitik
- [34:00] New Yorks Bürgermeister, soziologische Verschiebungen, Eliten- vs. Arbeiterinteressen
- [41:02] Populismusgefahr durch ungelöste Probleme
- [46:01] Rubrik: „Ist das mega oder kann das weg?“ – Konjunktiv in der Politik
Fazit & Stimmung
Die Episode ist geprägt von engagiertem, zum Teil polemischem, aber faktenbasiertem Dialog. Die beiden Sprecher loben Klartext, kritisieren Realitätsverweigerung der politischen Eliten und plädieren für mehr wirtschaftlichen Realismus und kulturellen Wandel in Politik und Gesellschaft. Wer die wirtschaftlichen (und kulturellen) Sackgassen verstehen will, in denen sich Deutschland nach Ansicht der Hosts befindet, bekommt – direkt und ungeschönt – zahlreiche Denkanstöße, auch im internationalen Vergleich.
Empfehlung:
Diese Podcast-Folge ist unverzichtbar für Hörer, die Debatten über Reformstau, Generationenkonflikt, Industriepolitik und kulturelle Brüche verstehen und hinterfragen wollen. Die bitteren Diagnosen werden immer wieder mit pointiertem Witz, Anekdoten und originellen Perspektiven aufgelockert.
