Make Economy Great Again
Episode: Warum China gerade siegt und Milei auch – wir aber nicht
Datum: 29. Oktober 2025
Host: WELT (Ulf Poschardt) und Ökonom Daniel Stelter
Überblick:
In dieser international geprägten Episode diskutieren Ulf Poschardt aus Berlin und Daniel Stelter aus Hongkong den Zustand der deutschen Wirtschaft im weltweiten Vergleich. Schwerpunkt: Die Gründe für Chinas aktuellen wirtschaftlichen Erfolg, die überraschende Wiederwahl des libertären argentinischen Präsidenten Javier Milei und die Reform-Faulheit sowie das kulturelle Abschmieren Deutschlands. Es geht um deutsche Innovationsdefizite, strategische Fehler, das Mindset im internationalen Wettbewerb und Wege für ein mögliches neues Wirtschaftswunder in Deutschland.
Wichtige Themen & Diskussionspunkte
1. Chinas Innovations- und Wettbewerbsvorsprung
- Daniel Stelter schildert Eindrücke aus China (ab 03:20):
- Sauberkeit, hohe Effizienz und moderne Infrastruktur beeindrucken im direkten Vergleich zu Deutschland.
- Chinas Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt, vor allem wegen niedrigen Binnenkonsums (40% des BIP im Vergleich zu 68% in den USA, 52% in Deutschland).
- Die Immobilienblase, Corona-Politik und hohe Verschuldung belasten China, sind aber durch hohe Sparquoten und ein anderes Sozialsystem handhabbar.
- Überkapazitäten – z.B. in der Auto- und Aluminiumindustrie – führen zu erheblichem Preisdruck und drängen chinesische Firmen verstärkt auf den Weltmarkt.
- China investiert massiv in Bildung: hohe Zahl und Qualität von Ingenieuren, günstige Energiepreise durch Atomkraft (z.B. fünf Atomkraftwerke in einer Provinz).
- Westliche Automobilindustrie ist technologisch abgehängt:
„Die geben im Gespräch zu: Die sind uns voraus, technisch. Und wir haben es extrem schwer.“ (Stelter, 09:44)
- 55% der deutschen Firmen in China erwarten, dass chinesische Wettbewerber binnen fünf Jahren Innovationsführer sind.
2. Deutschlands strukturelle Schwächen und mentaler Rückstand
- Deutsche Selbstzufriedenheit, Innovationsmüdigkeit, Fokus auf falsche Debatten (09:44, 28:44):
- Deutsche Politik und Öffentlichkeit beschäftigen sich mit Nebenschauplätzen (z.B. Gender-Debatten oder Dönerpreise), während anderswo Fundamentales passiert.
- Deutschland verliert den Anschluss – Debatten auf Nebenkriegsschauplätzen statt über wirtschaftliche und technologische Kernfragen:
„Wir führen Diskussionen um Döner, wie schlimm Männer sind und sonstigen Kram.“ (Poschardt, 04:41)
- Fehleinschätzungen in Energie- und Industriepolitik (z. B. Ausstieg aus Atomkraft als strategischer Fehler).
- Kritik an politischen Führungsfiguren (17:15):
- Geisteswissenschaftlich sozialisierte Politiker (z.B. Jürgen Trittin) werden als Teil des Problems betrachtet, weil ihnen wirtschaftlich-technischer Sachverstand fehlt.
- Beispiel: Deutschlands Energiepolitk versus chinesische Pragmatik – in China wird Energie günstig und technologieoffen gehalten, um Wettbewerbsvorteile zu sichern.
- Zitat:
„Wir wissen, der Jürgen Trittin hat eher die Idee, dass er eben den Kapitalismus abschaffen möchte, und da sind wir... in Deutschland auf gutem Wege…” (Stelter, 19:18)
3. Dynamik und Willenskraft: China und Argentinien im Vergleich
- Chinas Mindset (28:44, 29:47):
- Geschwindigkeit und Arbeitsbereitschaft als entscheidender Vorteil.
- Beispiel: Entwicklung in China läuft doppelt so schnell bei einem Drittel der Personalkosten.
- Anekdoten:
- Peter Thiel: Berlin sei zwar super für Party, aber kein Ort zum Investieren.
- Huawei-Manager: Werkstudenten arbeiten in China 18-Stunden-Tage—Drang nach Wohlstand treibt sie an.
- Zitat:
„In Berlin gibt es nicht Work Life Balance, das findet er schon furchtbar, sondern hier gibt es eine Work Life Live Balance und hat für sich entschieden: Berlin super Ort, um Party zu machen, Berlin kein Ort, um dort zu investieren.“ (Poschardt, 29:47)
- Javier Milei in Argentinien als Hoffnungsträger (ab 34:17):
- Erster libertärer Präsident, der trotz unpopulärer Reformen wiedergewählt wird.
- Mileis Erfolg wird als Korrektiv gegen westliche Reformlähmung gesehen.
- Milei habe seinen Wahlsieg durch Ehrlichkeit, Demut und Reformwillen errungen – im Gegensatz zu „Rechtspopulismus“ handle er nicht irrational oder populistisch, sondern antipopulistisch:
„Mill hat Reformen angekündigt ...und er hat diese Leute mitgenommen, und zwar in einer klugen Mischung aus Charisma, ...und dem tiefen Wissen um die Dinge der Ökonomie, weil er eben studierter Ökonom und Professor für Ökonomie ist.” (Poschardt, 36:35)
- Zitat zum Vergleich westlicher und chinesischer Führung:
„China ist ein Land, das von Ingenieuren geführt wird, die USA von Juristen. Und bei uns in Deutschland zunehmend von Schulabbrechern und Schülerbrechern... ” (Stelter, 16:15)
4. Politische und gesellschaftliche Blindheit in Deutschland
- Gefahren durch China werden nicht ernstgenommen (23:58—28:44):
- Illusion des „Wandels durch Handel“ ist gescheitert—China wird trotz neuen Reichtums nicht demokratischer, bleibt Überwachungsstaat.
- Die größte Bedrohung für den Westen wird nicht erkannt:
„Die chinesische Bedrohung ist viel subtiler und kein Mensch nimmt sie ernst, weil da geht es weniger um eine militärische Bedrohung..." (Poschardt, 25:01)
- Deutsche Außenpolitik und gesellschaftliche Reaktionen (41:33, 43:26):
- Debatten über China finden nicht statt; stattdessen demonstriert die deutsche Öffentlichkeit bei „Bullshit-Themen“.
- Unverständnis, warum offenkundige Menschenrechtsverletzungen Chinas (Uiguren, Hongkong) kaum Resonanz in Deutschland erzeugen.
- Stelter pocht auf eigene Reformnotwendigkeit statt auf moralische Überheblichkeit:
„Wir haben zu lange geglaubt, wir können die moralischen Weltmeister sein, ohne dass wir die dafür erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen haben.” (Stelter, 45:30)
5. Was tun? Ausblick und Reformideen für Deutschland
- Handlungsdruck und Chancen (15:56, 46:25):
- Noch gibt es Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Comeback, aber das Fenster schließt sich.
- Konjunkturpakete seien „Aspirin bei Krebs“, gebraucht werden:
- Anerkennung der Realität,
- technologische Offenheit,
- Bildungsreformen,
- mehr Ingenieursdenken.
- Stelters Fazit:
„Es ist kein unfairer Wettbewerb, der da kommt. Es ist einfach ein Wettbewerb von jemandem, der wirklich alles tut, um seine eigene Position zu verbessern, ... der auf jemanden trifft, der vieles tut, um seine eigene Wettbewerbsfähigkeit zu reduzieren." (Stelter, 45:40)
- Vergleich mit dem Fußballplatz:
„Gehst du auf den Platz, um zu spielen, oder um zu gewinnen?“ (Stelter, 46:14)
Ausgewählte Zitate & Memorable Moments (mit Timestamps)
- [04:41] Poschardt: „Wir führen Diskussionen um Döner, wie schlimm Männer sind und sonstigen Kram.“
- [09:44] Stelter: „Die geben im Gespräch zu: Die sind uns voraus, technisch. Und wir haben es extrem schwer.“
- [16:15] Stelter: „China ist ein Land, das von Ingenieuren geführt wird, die USA von Juristen. ...Deutschland zunehmend von Schulabbrechern und Schülerbrechern... “
- [19:18] Stelter: „Der Jürgen Trittin hat ... die Idee, dass er eben den Kapitalismus abschaffen möchte ... Wir schießen uns mit der Energiepolitik ins Knie.“
- [25:01] Poschardt: „Die chinesische Bedrohung ist viel subtiler und kein Mensch nimmt sie ernst…“
- [28:44] Stelter: „China Speed“ als Industrie-Standard: doppelt so schnell, ein Drittel der Kosten.
- [29:47] Poschardt über Berlin: „Berlin super Ort, um Party zu machen, Berlin kein Ort, um dort zu investieren.“
- [36:35] Poschardt über Milei: „Mill hat Reformen angekündigt ... und er hat diese Leute mitgenommen ... tiefe Wissen um die Dinge der Ökonomie, weil er ... Professor für Ökonomie ist.“
- [45:30] Stelter: „Wir haben zu lange geglaubt, wir können die moralischen Weltmeister sein ...“
- [46:14] Stelter: „Gehst du auf den Platz, um zu spielen, oder um zu gewinnen?“
- [49:28] Poschardt (Broken-Window-Theorie): „Vandalismus setzt ein, sobald die ersten Regelbrüche passieren.“
Segment-Timestamps
- 00:01–03:20: Begrüßung & Setting – Berlin, Hongkong, internationaler Blick
- 03:20–15:56: Stelters Eindrücke aus China: Grundlagen, Wachstum, Überkapazitäten, Industriemindset
- 15:56–19:15: Forschung, Unterschiede in Führungskultur (Ingenieur/Geisteswissenschaftler), Energiepolitik
- 19:15–23:58: Chinas Strategie: Technologietransfer, Exportoffensive, Abhängigkeit Deutschlands
- 23:58–28:44: Wandel durch Handel? Überwachungsstaat, China als Bedrohung, deutsche Blindheit
- 28:44–33:08: China Speed, deutsche Innovationsmüdigkeit, Anekdoten zu Arbeitskultur
- 33:08–34:17: Politische Führung schwach, geopolitische Dynamik
- 34:17–41:33: Javier Milei: Wahl, Botschaft für den Westen, Vergleich Deutschland
- 41:33–46:25: Außenpolitik, deutsche Selbsttäuschung, was wirklich zählt
- 46:25–49:28: Stadtbilddebatte, Broken-Window-Theorie
- 49:28–52:47: Reflexion, Fazit, Eventhinweise, Abschluss
Fazit:
Deutschland steht im Zentrum einer globalen Systemkonkurrenz, verschläft Reformen, verliert Innovationskraft und wird von Ländern wie China und – in ganz anderer Weise – Argentinien überholt. Die Gastgeber appellieren eindringlich an den politischen Willen, das wissenschaftliche und wirtschaftliche Fundament zu erneuern, das Mindset zu ändern und an einer neuen Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten. China wird dabei gleichzeitig als Bewunderungs- und Alarmfall präsentiert – und Milei als Hoffnungsträger, weil er zeigt: Radikale Reformen sind durchsetzbar, wenn ehrlich kommuniziert wird.
Kernbotschaft:
Deutschland muss sehr schnell und entschlossen umsteuern – sonst bleibt nur die Rolle als Dienstleister für die nächste Generation chinesischer und argentinischer Touristen.
