Podcast Summary: Make Economy Great Again
Episode Title: Wir sollten weniger China belehren als von ihnen lernen
Host: WELT (Ulf Poschardt)
Guest: Ökonom Daniel Stelter
Date: 4. November 2025
Überblick & Hauptthema
Diese Folge diskutiert den spürbaren wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands – stagnierende Industrie, sinkende Investitionen, trübe Unternehmerstimmung – und das Missverhältnis zwischen moralischem Anspruch und ökonomischer Realität. Im Fokus steht die Frage: Wie kann die deutsche (und europäische) Wirtschaft im globalen Systemwettbewerb, vor allem im Vergleich zu China, wieder an Dynamik und Innovationskraft gewinnen?
Stelters Einblicke aus seiner China-Reise eröffnen eine kritische, oft schonungslos ehrliche Diskussion darüber, warum Deutschland Gefahr läuft, international abgehängt zu werden – und welche Lehren statt moralischer Belehrungen aus China gezogen werden müssten.
Zentrale Diskussionspunkte & Insights
1. Deutschlands wirtschaftlicher Abstieg und hausgemachte Probleme
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Selbstzufriedenheit und Vernachlässigung von Reformen
- Deutschland hat sich jahrzehntelang auf alten Erfolgsmodellen (Automobil, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau) ausgeruht.
- Die günstigen Rahmenbedingungen früher (billige Energie, bestes Bildungssystem, leistungsfähiger Staat) sind längst vorbei.
- Mit Euro und schwacher Währung geriet der Innovationsdruck unter die Räder. (04:10)
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Zitat:
- „Wir sind selten dämlich, wir sind bequem geworden. Wir haben die falschen Prioritäten gesetzt… Wenn wir da nicht endlich aufwachen, dann darf man sich nicht wundern, wenn man platt gemacht wird.”
— Daniel Stelter (08:25)
- „Wir sind selten dämlich, wir sind bequem geworden. Wir haben die falschen Prioritäten gesetzt… Wenn wir da nicht endlich aufwachen, dann darf man sich nicht wundern, wenn man platt gemacht wird.”
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Der Blick auf China
- Die Bedrohung kommt weniger von Chinas Aggressivität, sondern mehr von Deutschlands Selbstschwächung.
- Chinesische Unternehmen agieren systematisch, innovationsgetrieben – und nehmen weltweit Führungsrollen ein. (03:00–08:00)
- Die Angst vor Konkurrenz: Auf direkte Nachfrage, ob es noch Sektoren gebe, in denen Deutschland China voraus sei, lautet die ehrliche Antwort: „Stand jetzt, nein.” (03:20)
2. Chinas Mindset und das deutsche Missverständnis
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Innovationswille versus Beharrung
- China verbindet staatlich gelenkte Märkte mit brutalem inneren Wettbewerb und einer „Can do“-Mentalität.
- Der Fokus liegt im Operativen: „Wenn die entscheiden, wir machen das, dann bauen die eine ganze Wüste zu.“ (10:30)
- Fortschritt treibt Chinas Energiepolitik an – sie setzen nicht auf „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“ (erneuerbare und nukleare Energie mit industriellem Pragmatismus).
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Zitat:
- „China hat ein Mindset: Wir machen das – und sind total fixiert auf das Operative ... Das ist das Yes we can, das Just do it von Nike – für ein ganzes Land.”
— Ulf Poschardt (10:58)
- „China hat ein Mindset: Wir machen das – und sind total fixiert auf das Operative ... Das ist das Yes we can, das Just do it von Nike – für ein ganzes Land.”
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Deutschlands Fokussierung auf Klima- und Moralpolitik
- Während China seine Industrien pragmatisch aufbaut und skaliert, verliert sich Deutschland in „Fehlprioritäten“ (insbesondere von den Grünen und Teilen der Medien forciert), etwa beim Ausbau von Bürokratie, Klimaentscheidungen ohne globales Gewicht und der lähmenden Moralisierung des Diskurses.
- „Die Strafe in dieser globalisierten Realität fällt halt grausam aus.” — Ulf Poschardt (13:33)
3. Die (über-)moralische Außenpolitik und ihre Grenzen
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Europa, Freiheit und Innovationsspielräume
- Innovationsfähigkeit braucht Freiheitsgrade. China könnte in Zukunft wegen politischer Restriktionen an Innovationspotenzial verlieren – aber das ist auf Sicht ungewiss.
- Europa hätte Chancen als Magnet für Talente – mit besseren Visaregularien, Eigentumsschutz und Wissenschaftsfreiheit (18:56–21:00).
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Moral gegen Pragmatismus
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Der moralische Zeigefinger hilft wirtschaftlich Schwachen nicht.
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„Wenn man moralisch urteilen will, muss man wirtschaftlich stark sein, damit man sich diese Moral erlauben kann."
— Ulf Poschardt (16:47) -
Zitat:* „Nur mit Sonntagsreden werden wir die Chinesen nicht beeindrucken, sondern nur, wenn wir sie challengen auf ihrem wirtschaftspolitischen Erfolgskurs mit krasser Innovation.”*
— Ulf Poschardt (18:02)
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4. Europas Rolle und das Scheitern an Regulierung
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Kritik an der EU: „Leadership in Regulation”
- Diskutiert wird das Fehlen europäischer Innovationskultur – stattdessen dominiert „Führerschaft in Regulierung“. (22:00–25:20)
- US-Stimmen und Tech-Führer wie Marc Andreessen machen sich offen lustig über Europas Fokus auf Kontrolle statt Kreativität.
- „Wenn du noch keine AI-Strategie hast, mach einfach genau das Gegenteil von der EU!”
— Marc Andreessen (zitiert von Ulf Poschardt, 23:30)
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Industriepolitik: Lerneffekt aus China erwünscht
- Instead of picking winners, Schaffung von Märkten und Rahmenbedingungen, die Wettbewerb ermöglichen (wie in China).
- „John F. Kennedy hat nicht gesagt, wie man auf den Mond kommt. Er hat gesagt, ich will auf den Mond.”
— Daniel Stelter (27:00)
5. Der Niedergang der deutschen Städte am Beispiel Hamburg und München
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Signalwirkung von Klimaentscheidungen und Wohlstandsverwahrlosung
- In den wohlhabenden Stadtteilen von Hamburg befördern Klimaentscheidungen Stillstand und Demobilisierung der wirtschaftlichen Elite („Wenn ihr die Reichsten demotivieren wollt, macht aus ihrer Straße eine Privatstraße für elektrische SUVs“). (34:00–39:00)
- Eine „Selbstzerstörung des Bürgertums“: Die Dekadenz der privilegierten Klassen führt zu politischen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen.
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Verschuldung und mangelnder Realitätssinn in München
- München häuft in drei Jahren über 7 Milliarden Euro Schulden an (von 600 Millionen in 2019 auf prognostizierte 11 Milliarden bis 2028).
- Fehlende Industrieeinnahmen nach dem Aus der Atomkraftwerke, hohe Staatsausgaben, und blindes Fortschreiben des alten Wohlstands. (41:00–44:30)
- „Wir haben gedacht, die guten Zeiten enden nie ... Wir müssen dringend andere Prioritäten setzen.”
— Daniel Stelter (44:32)
Notable Quotes & Memorable Moments
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Sind wir eigentlich zu degeneriert, um das Problem zu lösen?
- „Vielleicht sind wir einfach zu degeneriert. Vielleicht fehlt uns einfach das Bewusstsein, wie ernst die Lage ist.“
— Ulf Poschardt (13:15)
- „Vielleicht sind wir einfach zu degeneriert. Vielleicht fehlt uns einfach das Bewusstsein, wie ernst die Lage ist.“
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Museum Europa als Zukunftsvision?
- „Wenn wir nicht ändern, dann werden wir einfach das Museum Europa sein, da sollten wir alle Chinesisch lernen und uns als Tourismus Hotspot der Welt verdingen.“
— Daniel Stelter (20:35)
- „Wenn wir nicht ändern, dann werden wir einfach das Museum Europa sein, da sollten wir alle Chinesisch lernen und uns als Tourismus Hotspot der Welt verdingen.“
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Arbeitsteilung von Moral und Wirtschaft
- „Moral, die die Marktwirtschaft zerstört, ist keine Moral […] sondern jede Moral, die sich global durchsetzen will, muss ökonomisch erfolgreich sein.“
— Ulf Poschardt (17:08)
- „Moral, die die Marktwirtschaft zerstört, ist keine Moral […] sondern jede Moral, die sich global durchsetzen will, muss ökonomisch erfolgreich sein.“
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Über das deutsche Beispiel international:
- „Der deutsche Weg, der früher ein glanzvoller Weg voller Bewunderung von der ganzen Welt beäugt, ist jetzt so gewissermaßen: Wie dumm kann man sein? Guckt euch Deutschland an.“
— Ulf Poschardt (32:30)
- „Der deutsche Weg, der früher ein glanzvoller Weg voller Bewunderung von der ganzen Welt beäugt, ist jetzt so gewissermaßen: Wie dumm kann man sein? Guckt euch Deutschland an.“
Prägnante Timestamps wichtiger Segmente
- 03:20: Ehrliche Antwort auf die Frage: Gibt es noch Sektoren, in denen Deutschland China voraus ist?
- 08:10–08:40: Stelter benennt die eigentlichen Ursachen der Misere – Selbstzufriedenheit und verpasste Reformchancen.
- 10:30–13:00: Chinas Mindset, Skalierungserfolge (Solarenergie), und das deutsche Missverhältnis von Anspruch und Realität.
- 16:45–18:00: Kontroverse um moralische Kritik an China versus wirtschaftliche Schwäche Europas.
- 23:30: Marc Andreessen über Europas KI-Strategie – Ironie und offene Kritik.
- 34:00–39:00: Hamburger Klimaentscheid und die Rolle des Bürgertums.
- 41:00–44:30: Münchens Verschuldung und die Risiken einer Politik, die an der Wirtschaft vorbei agiert.
Fazit: Lehren & Appelle
- Deutschland und Europa müssen sich vom eigenen Moralismus, von Bürokratiegläubigkeit und Innovationsfeindlichkeit lösen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.
- China sollte weniger moralisch belehrt, sondern als Vorbild für mutige, pragmatische Industriepolitik – und einen neuen, zupackenden Mindset – genommen werden.
- Ohne Reformen und den Wunsch zu gewinnen droht Deutschland, zum „mahnenden Beispiel“ für wirtschaftlichen Selbstbetrug zu werden.
Ton & Sprache
Der Ton der Diskussion ist schonungslos ehrlich, stellenweise ironisch, aber stets faktenorientiert und analytisch – mit einem Hauch von sarkastischem Understatement, insbesondere im Hinblick auf deutsche und europäische Selbsttäuschungen.
