OMR Podcast #822
Globales Chauffeur-Business: Blacklane-CEO Jens Wohltorf
Host: Philipp Westermeyer
Gast: Jens Wohltorf, CEO & Gründer von Blacklane
Datum: 27. Juli 2025
Überblick
In dieser Folge spricht OMR-Gründer Philipp Westermeyer mit Jens Wohltorf, dem CEO und Gründer von Blacklane, einem globalen Chauffeur-Dienstleistungsunternehmen. Die beiden diskutieren den erstaunlichen internationalen Erfolg von Blacklane, das Geschäftsmodell, die wirtschaftlichen Kennzahlen, Besonderheiten des Premium-Segments, Herausforderungen und Innovationen im Bereich Mobilitätsdienstleistungen sowie die ambitionierten Pläne des Unternehmens, sich vom Chauffeur-Service zu einem umfassenden Concierge- und Lifestyle-Anbieter weiterzuentwickeln.
Hauptthemen und Kernaussagen
1. Entstehung und Geschäftsmodell von Blacklane
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Gründung und Ursprungsidee
- Jens Wohltorf entwickelte die Idee 2009, inspiriert durch seine Zeit als Berater in Chicago, da Chauffeur-Services weltweit sehr unterschiedliche Qualität hatten und keine Plattform für einen einheitlich hohen Standard existierte ([03:10]–[03:40]).
- Blacklane wurde ab 2011 aufgebaut, zunächst in Berlin.
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Asset-Light-Ansatz
- Blacklane besitzt die Fahrzeuge meist nicht selbst, sondern arbeitet mit lokalen Partnern und Chauffeur*innen weltweit (über zehntausend Fahrzeuge) ([04:45]–[05:56]).
- Strenge Auswahl- und Qualitätsstandards: Die Fahrer und die Fahrzeuge müssen bestimmte Blacklane-Kriterien erfüllen, um konsistente Kundenerfahrungen zu ermöglichen.
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Internationale Skalierung & Lokalisierung
- „Wir sind 500 in den 500 Städten, über 50 Ländern und das sind die großen Business Hubs dieser Welt.“ – Jens Wohltorf ([06:43])
- Blacklane startete relativ schnell den internationalen Ausbau, getrieben durch die Nachfrage multinationaler Kunden.
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Vergleich zu Uber und Flixbus
- Blacklane setzt auf das Premiumsegment, während Uber auf Masse ging. Im Gegensatz zu Flixbus stehen keine Busse, sondern Limousinen im Mittelpunkt, aber das Prinzip des Kapazitäteneinkaufs ist ähnlich ([05:10]–[05:56]).
2. Geschäftskennzahlen und Wachstum
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Umsatzentwicklung
- „Viele hundert Millionen und unspezifischer werde ich da nicht.“ – Jens Wohltorf über den aktuellen Umsatz ([10:18])
- 2022 waren es rund 200 Mio. Euro; seither jährliches Wachstum von 20–30 %, abgesehen vom Corona-Jahr ([10:22]–[10:43]).
- Westermeyer schätzt, dass der Außenumsatz 2025 bei etwa einer halben Milliarde Euro liegen dürfte.
- Marge: Die Plattformmarge bewegt sich im Schnitt zwischen 15 und 20 %, in Einzelfällen auch deutlich höher – durch ein dynamisches Bietersystem (Reverse Dutch Auction) ([29:11]–[34:18]).
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Mitarbeiterzahl und Expansion
- Ca. 400 Mitarbeiter, zentral in Berlin, zunehmend Aufbau lokaler Teams in neuen Städten ([36:01]).
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Profitabilität
- Das Kerngeschäft ist bereits profitabel („im Kern unseres Geschäftsmodells sind wir profitabel, also EBIT profitabel in diesem globalen Travel Segment“ – [33:19]).
- Die Investitionen fließen schwerpunktmäßig in neue Stadt-Rollouts.
3. Markt, Kunden und Marketing
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Kernmärkte
- USA als größter Markt (ca. 50 % des Umsatzes), gefolgt von UK, dann Deutschland (nur 4 %). In Deutschland ist der Service wenig verbreitet – Fokus seit jeher auf angloamerikanischen Markt ([06:28], [14:09]).
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Typische Nutzung & Preisgefüge
- Über die Hälfte aller Fahrten sind Flughafentransfers, zunehmend auch City-to-City und „by the hour“-Buchungen ([08:08]–[09:08]).
- Beispielpreise: Hamburg–Berlin ca. 300–400 Euro ([15:01]).
- Langstrecken sind bei Blacklane deutlich günstiger als Taxi, da Fixkosten stark auf die erste Meile entfallen ([21:57]).
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Kundensegmente und Akquise
- Zielgruppen: Geschäftsreisende, Unternehmensmitarbeiter, hochpreisige Privatkunden, Airline-Partner (z. B. Emirates, Etihad), Reiseagenturen, Kreditkartenanbieter ([18:38]–[20:07]).
- Hauptkanal: Bis heute über 80 % der Kundengewinnung via Suchmaschinenmarketing (AdWords), ergänzt durch gezielte Akquise für strategische Partner ([18:24], [18:28]).
- „Unser Haupt-Marketingkanal ist tatsächlich immer noch die Suchmaschine.“ – Jens Wohltorf ([18:28])
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Wettbewerb
- Kaum globale Konkurrenz im Premiumsegment mit derselben geografischen Reichweite und Standardisierung.
- Wettbewerb meist lokal oder im Massenmarkt (Uber, Lyft etc.), aber dort mit anderen Qualitätsansprüchen ([20:20]–[20:49]).
4. Innovationsfelder & Vision
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Chauffeur-Akademie
- Blacklane schult Fahrer weltweit selbst in eigenen Akademien, um weltweit gleichbleibend hohe Servicequalität zu garantieren ([13:28]).
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Öffnung zur Concierge-Plattform
- „Eigentlich bauen wir einen Concierge Service auf. Das hat es irgendwie in der Vision mit Autofahren nur noch am Rande zu tun.“ – Philipp Westermeyer ([46:50])
- Neben Fahrdiensten bietet Blacklane zunehmend auch Airport-Concierge-Services (z. B. Hilfe beim Check-In, Lounge, Security, Boarding) und überlegt, künftig das gesamte Reiseerlebnis bis zum Restaurantbesuch, Sightseeing oder Bürosupport zu begleiten ([40:31]–[41:09]).
- Die Weiterentwicklung findet bewusst schrittweise statt, um sich nicht zu „verzetteln“ ([48:42]).
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Technologie und autonome Fahrzeuge
- Blacklane begrüßt die Entwicklung autonomer Autos als neues Angebot im Premiumsegment, sieht aber weiterhin den Menschen als Differenzierungsfaktor im Service (Empathie, persönliche Betreuung). Erste autonome Fahrzeuge erwartet Wohltorf in ca. fünf Jahren, vermutlich zuerst im Mittleren Osten ([45:00]–[45:04]).
- „Es wird immer Use Cases geben, wo ein Mensch noch Mehrwert schaffen kann im oder um das Auto herum.“ – Jens Wohltorf ([44:54])
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Nachhaltigkeit und Diversität
- Blacklane setzt seit 2017 auf CO₂-Kompensation und forciert die Elektrifizierung der Flotte – in Dubai bereits 100 % elektrisch ([55:27]).
- Starke Förderung von weiblichen Chauffeur*innen, v. a. in Regionen wie Dubai und Riad ([54:48]–[55:27]).
5. Finanzierung und Bewertung
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Investmentrunden und Anteilseigner
- Bisher ca. 200 Mio. Euro eingesammelt, u. a. von Mercedes-Benz (größter Investor, knapp 30 %) und Carsten Maschmeyer ([25:10]–[25:41]).
- Letzte große Runde: 60 Mio. Euro von einem saudischen Fonds 2024 ([24:24], [33:19]).
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Eigenständigkeit & IPO-Option
- Mit den anstehenden Expansionen – jede neue Stadt kostet mehrere Millionen – denkt Blacklane über weitere Finanzierungsoptionen und einen künftigen Börsengang (IPO) nach ([32:17]).
- „Das Kerngeschäft ist bereits profitabel, für die Lokalisierungsstrategie brauchen wir Kapital. IPO ist eine Option.“ ([32:26])
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Bewertung
- Die konkrete Bewertung bleibt offiziell offen, Blacklane wird aber in der Unicorn-Conversation gesehen, orientiert an Umsatzmultiples der Branche ([12:27]).
- Westermeyer extrapoliert mehrere Milliarden, doch Wohltorf stapelt tief: „Wir stapeln immer tief.“ ([12:08], [12:24])
Notable Quotes & Besondere Momente
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Zur Vision und Entwicklung:
„Es fühlt sich immer noch so an wie Tag 1, du gehst um die nächste Kurve und plötzlich öffnet sich ein noch größerer Markt und noch größeres Potenzial.“
– Jens Wohltorf [41:18] -
Zum Asset-Light-Prinzip und Qualitätsstandard:
„Am Ende des Tages ist es nicht die S-Klasse, die den Service ausmacht oder die Beinfreiheit… Aber wie der Chauffeur den Gast behandelt, das ist der Maker oder Breaker der ganzen Erfahrung.“
– Jens Wohltorf [20:49] -
Zu nachhaltiger Mobilität:
„Wir sind mit Abstand der Nachhaltigste. Wir sind seit 2017 CO₂-neutral, haben darüber aber gar nicht gesprochen, weil wir daran geglaubt haben, dass es das Richtige ist.“
– Jens Wohltorf [55:27] -
Zur Markteintrittslogik:
„Wir gehen jetzt die Liste der Top-500-Städte runter und fangen mit den größten an... Nur fünf Städte sind lokalisiert, 495 fehlen noch.“
– Jens Wohltorf [29:59] -
Zur Widerstandsfähigkeit in Krisen:
„Wir haben in drei Wochen 99 % Umsatz verloren, komplett ausgeknipst, weil wir natürlich so abhängig vom Flughafengeschäft waren.“
– Jens Wohltorf zur Pandemie-Krise [31:17]
Timeline/Höhepunkte mit Timestamps
- 03:10–04:00 | Gründungsidee: Warum Blacklane entstand, frühe Jahre
- 06:28 | Größte Märkte (USA, UK, Deutschland)
- 07:14–07:50 | Internationalisierung, Expansion, Kundenerwartungen
- 09:08 | Flughafentransfers und neue Produktkategorien
- 10:18–10:51 | Umsatz, Wachstum und Schätzung zur Unternehmensgröße
- 13:28 | Aufbau der Blacklane Chauffeur Academy
- 14:09 | Fokus auf internationale Märkte, geringe Wahrnehmung in Deutschland
- 15:01 | Fahrpreis für Hamburg–Berlin
- 18:28 | Online-Marketing als Hauptakquisekanal
- 20:20 | Wettbewerbssituation: Globale Skalierung als Alleinstellung
- 24:24–25:41 | Finanzierungsrunden, Investor Mercedes-Benz
- 29:11–34:18 | Marge, Reverse Dutch Auction, Umsatz-/Plattform-Anteil
- 33:19 | Profitabilität des Kerngeschäfts, Use of Funds
- 40:31–41:09 | Concierge-Service als Vision über das Auto hinaus
- 44:54–45:16 | Autonomes Fahren im Premiumsegment
- 48:42 | Fokus auf schrittweise Weiterentwicklung (Concierge)
- 54:48–55:27 | Frauen als Chauffeurinnen, Diversity und Purpose
- 57:02–57:48 | Auslastung der Fahrzeuge als entscheidende KPI
- 58:07–60:02 | Unternehmensgründung: Die Alternative hätte auch Frozen Joghurt sein können
Weitere Themen und Einblicke
- Strategische Partnerschaften mit Airlines und Kreditkartenunternehmen für High-End-Kundenakquise
- Geringe Sichtbarkeit in der deutschen Öffentlichkeit trotz enormer Größe
- Hohe Diskretion: Blacklane gilt als "unsichtbarer" Premiumdienstleister, kaum Out-of-Home-Marketing, keine Promi-Testimonial-Kommunikation
- Chancen und Risiken durch den starken Fokus auf Flughafentransfers ("Lehre aus Corona-Jahren: mehr Diversifizierung") [31:39]
Fazit
Blacklane ist eine der wenigen deutschen Startups, die es nicht nur geschafft haben, ein extrem fragmentiertes, traditionelles Service-Segment zu digitalisieren, sondern daraus einen wirklich globalen Player mit hoher Marge, klarer Differenzierung und ambitionierter Skalierungsstrategie zu machen. Die Plattform positioniert sich zunehmend als End-to-end-Concierge-Service im Reise- und Mobilitätsbereich. Höchst spannend sind die Vision, die Rolle von Technologie (z. B. autonome Fahrzeuge, KI-Concierge) und das gesellschaftliche Engagement (Nachhaltigkeit, Diversity).
Abschließende Anerkennung des Hosts:
„Es klingt wirklich sehr so auch friktionsfrei durchgebaut... Gut solche großen Firmen hier in Deutschland entstehen und wachsen zu sehen.“
– Philipp Westermeyer [69:25]
Tipp des Hosts: Wer als Hörer Blacklane bislang nur vom Hörensagen kannte, hat nach dieser Folge alle Insights parat, um das Unternehmen nicht mehr zu unterschätzen – und möglicherweise bei der nächsten Reise einen Blacklane-Service zu buchen!
